Leseprobe, Buch 2 "Unterwegs zwischen Recknitz, Saaler Bodden und Rostocker Heide"
Inhalt »
"Durch das Tribohmer Bachtal":
Viele Wandertouren durch die besonders idyllische Natur liegen etwas abseits der heutigen Verkehrsadern, und das ist gut so. Kann man doch die Seele prima ausspannen lassen, wenn der Verkehrslärm nicht zu hören ist und die Geräusche um einen herum aus natürlichen Quellen stammen. Das sanfte Rauschen der Blätter im Wind, das Plätschern eines kleinen Wasserlaufs, der mehrstimmige Chor der gefiederten Sänger, emsig umher summende Fliegentiere, solche Naturklänge bringen uns Ruhe und Erholung.
Das uralte Tribohmer Bachtal bietet all das im Übermaß. Und noch dazu Geschichte und Geschichten aus der Zeit unserer Vorfahren.
Tribohm entstand wohl im 8.Jahrhundert, Namen wie Trebun oder Tribun sind in alten Urkunden beschrieben. Damals siedelten die slawischen Stämme der Ranen am Bachlauf, welcher hier auf dem Weg zur Recknitz sein Bachbett schon seit 10.000 bis 15.000 Jahren in den sandigen Boden eingegraben hat.
Der Hauptsitz der Ranen war Rügen, mit der mächtigen Feste Arkona, welche gleichzeitig ein wichtiges religiöses Zentrum darstellte. Alten Überlieferungen zufolge stand im Tempel die riesige hölzerne Figur des Slawengottes Swantewit, dessen vier Gesichter in alle Himmelsrichtungen blickten. Noch heute kann man an der Steilküste dort die Überreste des Erdwalls sehen. Ein großer Teil ist über die Jahrhunderte allerdings schon ins Meer gestürzt. König Waldemar von Dänemark unternahm zur damaligen Zeit immer wieder Kriegszüge gegen die slawischen Bewohner an den Küsten Mecklenburgs und Pommerns. Allerdings waren die Slawen auch keine Unschuldslämmer. Auch sie suchten die dänischen Küsten heim, plünderten und raubten. Die Dänen jedoch hatten hier in der Historie den längeren Atem. So eroberten sie im Jahre 1168 nach langen Gefechten die Slawenfeste Arkona und waren damit die Herren über Rügen und die dazugehörigen Ländereien, welche sich bis hin zur Recknitz erstreckten, der Grenze zwischen Mecklenburg und Vorpommern.
Um das "Volk der Heiden" nun zum christlichen Glauben zu bekehren, ließen sich neben anderen Mönchsorden ebenso die Zisterzienser im Land nieder. In Neuenkamp, dem heutigen Franzburg, errichteten sie ihr Kloster, um neben der Christianisierung die wirtschaftliche Erschließung des Landes voranzutreiben.
Sie hinterließen auch in Tribohm Spuren, welche man noch heute bewundern kann. Hier steht eine der ältesten Kirchen Pommerns. Wahrscheinlich um 1210 vollständig aus Feldsteinen erbaut, diente sie den Mönchen als Kapelle. Das Rundfenster am Ostgiebel soll noch aus jener Zeit erhalten geblieben sein.
Diese trutzige Wehrkirche mit ihren gewaltigen Feldstein-wänden und hoch liegenden Fenstern ist tatsächlich beeindruckend. Erbaut in einer Zeit, in welcher den Mönchen und Kolonisten immer wieder Gefahr für Leib und Leben drohte, boten die mächtigen Mauern Schutz. So wundert es auch nicht, das einige hundert Jahre später im 30jährigen Krieg Truppen des berühmten kaiserlichen Generals Wallenstein hier ihr Feldlager aufschlugen und die Tribohmer Kirche als Magazin benutzten. Damals verlief nämlich die Post- und Heeresstraße zwischen Damgarten und Tribsees genau durch den Ort.
Die Wanderung durch das Tribohmer Bachtal beginnt an der Kirche. Nur wenige Schritte weiter betreten Sie die alte Heeresstraße, welche Sie an das Ufer des Mühlenteiches führt. Dieser Teich entstand im 13. Jahrhundert durch das Anstauen des Baches, die Mönche betrieben hier mehrere Wassermühlen. Am Ufer wachen riesige Silberweiden über die Ruhe am Gewässer. Auf der gegenüber liegenden Seite recken betagte Eichen ihre Äste dem Himmel entgegen, Enten ziehen glitzernde Bahnen über die spiegelnde Fläche. Mit etwas Glück entdecken Sie hier den Eisvogel.
Am Ende des Mühlenteiches beginnt das Naturschutzgebiet und auch der Naturlehrpfad, welchen Sie nun unter die Füße nehmen werden. Ganz unschein-bar biegt der schmale Pfad hinter dem Wehr vom Damm ab, hinein in das schattiges Grün des Pastorenbusches. So lautet ein früher Name des Gehölzes, welches schon in alten Zeiten Eigentum der Kirche war. Der Pastor trieb damals seine Schweine zum Weiden unter die Eichen. Solche Baumweiden waren weit verbreitet, sie boten Schatten und reichlich Futter für das Vieh.Das Wasser des Mühlenteiches ergießt sich als kleiner Wasserfall in den Mühlbach, dessen Bett von urigen kopfgroßen Feldsteinen gesäumt wird.
Anfangs zwängt sich der Weg dicht am Mühlbach entlang, während rechter Hand der Talboden steil ansteigt. Jahrtausende hat die Natur hier gewirkt, schnitt sich das Wasser seinen Weg in die Erde. Dieser vor sich hin murmelnde Begleiter hat wohl schon einiges gesehen. Von der Jungsteinzeit an lebten Menschen in seiner Nähe, fingen Fische, tranken sein klares Wasser, erfrischten sich im plätschernden Nass.Vor ungefähr 800 Jahren dann betraten die Mönche den Pfad. Nachdem sie eine Wassermühle am Damm des Teiches errichteten, bauten sie mitten im Tal einen zweiten Damm, und an diesem eine Walkmühle. Ein Schild mit interessanten Informationen steht an der Stelle, an welcher einst die Mühlräder klapperten. Sogar aus Stralsund wurde Gewebe hierher gebracht, um durch Wässern und Klopfen zu Tuch verarbeitet zu werden. Das Mittelalter ist hier zum Greifen nah, das Erdmaterial für den Dammbau wurde am Nordhang abgebaut, unmittelbar vor Ihnen. Der unnatürlich steile Verlauf des Berghanges hinter dem Lehrpfadschild zeugt vom Fleiß der Zisterzienser.
Der Erlenbruch auf der linken Seite des Weges ist Heimat seltener Vögel, neben Sprosser und Kleiber lebt auch der dem Laien ziemlich unbekannte Zilpzalp hier. Es handelt sich um einen Bodenbrüter, welcher im dichten Unterholz seine Nester baut. Die Antwort auf die Frage nach der Herkunft dieses eher ungewöhnlichen Namens findet sich im Gesang des Vogels wieder. Also lauschen Sie einmal in die Sie umgebende Idylle hinein, vielleicht hören Sie das monotone "Zilp zalp" aus dem vielstimmigen Chor der gefiederten Sänger heraus.
Der Weg durch das Tribohmer Bachtal führt bis in die kleine Gemeinde Gruel. Jetzt verlassen Sie den Wald, wandern einen Wiesenhang empor und kommen so hinter den Gehöften des alten Gutshofes zur Landstraße. Halten Sie sich rechts. Neben der Straße führt ein gepflegter Fuß- und Radweg in einer sanften Kurve über einen kleinen Wasserlauf hinweg bergauf. Hier stand früher eine dritte Mühle, welche der Rügenfürst Witzlaff II im Jahre 1278 dem Kloster Neuenkamp (heute Franzburg) schenkte.
Nach wenigen Hundertmetern zweigt ein schnurgerader Feldweg rechts von der Landstraße ab. Zwischen Feldern und Viehweiden gelangen Sie im warmen Sonnenschein bis zum Waldrand. Im Schatten der hohen Buchen am Waldrand schlängelt sich der Feldweg am oberen Talrand des Patorenbusches Richtung Tribohm. Bald schon erkennen Sie den hölzernden Turm der Kirche. Der Schrei eines jagenden Bussards schallt durch den blauen Äther. Von seiner lichten Höhe aus sucht er mit scharfen Augen die gefurchten Felder nach Beute ab. Wahrscheinlich warten in seinem Horst hungrige Jungvögel dringend auf seine Rückkehr
Vorbei an einer kleinen Kuhweide erreichen Sie ein von einem Jägerzaun umgebenes Grundstück. Zwei Ponystuten mit ihren Fohlen grasen im Schatten einer mächtigen Eiche. Vor diesem Grundstück biegt rechter Hand die eingangs erwähnte alte Post- und Heeresstraße, heute ein einfacher Sandweg, welchem man seine Geschichte nicht mehr ansieht, zum Tribohmer Mühlteich ab. Und so endet der Rundweg durch das Bachtal am Teich entlang wo er angefangen hat, bei der trutzigen Wehrkirche.